Ästhetische Erfahrung und ethischer Diskurs
6 Seiten | Autor: Josef Früchtl
Was man „Kritische Theorie“ nennt - so konnten oder mußten wir in den letzten Jahren lernen- ist eine Fiktion. Konnte eine solche Behauptung aus dem Munde von Jürgen Habermas, dem Jüngsten unter den Namhaften im Bunde, noch als vorsichtig strategische Distanzierung gewertet werden, so ist dies nach der umfassenden Historiographie, die Rolf Wiggershaus inzwischen vorgelegt hat, nicht mehr möglich. Der Begriff „Kritische Theorie“ ist fortan nur noch in einem weiteren Sinn zu nehmen, losgelöst von den Merkmalen einer Schule, die sich im Umkreis des Frankfurter Instituts für Sozialforschung vor dem Zweiten Weltkrieg noch angeben ließen. Zu der entzauberten Theoriegeschichte gesellt sich die ernüchternde Theoriekritik. Eingeleitet durch Habermas hat sie sich jüngst bei Axel Honneth zu der These ausgeweitet, allein in den Arbeiten derjenigen Autoren, die nicht zum sogenannten „Interieur“ gehörten, bei Walter Benjamin, Franz Neumann, Otto Kirchheimer und später auch Erich Fromm, bei jenen Autoren also, die eher der „Peripherie“ angehörten, hätten sich die gesellschaftstheoretischen Mittel finden lassen, mit denen die von Horkheimer Anfang der dreißiger Jahre formulierten Intentionen hätten umgesetzt werden können. Und doch stellt Honneth an anderem Ort fest, daß im Zentrum des gegenwärtigen Interesse an Kritischer Theorie die Schriften Theodor W.Adornos stehen. Die leichte Überraschung entspringt einer Rekonstruktionsperspektive, die die Geschichte der Kritischen Theorie von Horkheimer und Adorno bis zu Habermas als einen Lernprozeß beschreibt und sich nun dem weiteren Schritt gegenübersieht, daß die Theorie Adornos auch dann noch Überzeugungskraft bewahrt, nachdem sie mit kommunikationstheoretisch überzeugenden Argumenten kritisiert worden ist. Innerhalb des Forschungsprojektes „Kritische Theorie“, so kann man also konstatieren, hat die Diskussion sich mittlerweile verschoben in eine Richtung mit dem Wegweiser: Von Habermas weiter zu Adorno.
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