Die „Natur“ als Einzugsgebiet der Soziologie
9 Seiten | Autor: Henri Band
Die Soziologie ist ein sonderbares Fach. Von Zeit zu Zeit wird sie von heftigen Allzuständigkeitsfieberphantasien geschüttelt. Dann wiederum brechen massive Minderwertigkeitskomplexe auf, gepaart mit Selbstvorwürfen an die Zunft, man habe wichtige Entwicklungen verschlafen und Schlüsselfragen ignoriert, die längst schon in der Öffentlichkeit diskutiert und von anderen Wissenschaften erfolgreich bearbeitet werden. Manche soziologische Fachpublikationen erwecken bei einem naiven oder fachfremden Leser den Eindruck, die Disziplin pendele zwischen akademischem Tiefschlaf und halbblindem Aktivismus, verpasse häufig den Zug der Zeit, wisse bis heute nicht sicher, worin ihr Kanon an Gegenständen, Theorien und Methoden besteht, und fange gerade erst an, sich ihrer eigentlichen Aufgaben zu besinnen. Neben der relativen Kleinheit, um nicht zu sagen institutionellen Randständigkeit der Soziologie dürften die Auslegungsoffenheit, Komplexität und Politikrelevanz des eigenen Gegenstandsbereiches mit ursächlich für die kommunikative Anschluss-Panik sein, die unter Teilen der Fachvertreter von Zeit zu Zeit aufkommt. Die Annahme, dass Soziologen nichts Menschliches fremd zu sein habe, verführt manche von ihnen zur Suspendierung der Frage, was der spezifische Erkenntnishorizont einer Wissenschaft des Sozialen sein soll – allen guten Soziologie-Definitionen, die es gleichwohl gibt, zum Trotz.
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