Thomas Brasch – zwei Jahrzehnte nach seinem Tod gelesen
15 Seiten | Autor: Birgit Dahlke
Das gattungsübergreifende Gesamtwerk des 1945 im englischen Exil geborenen Dichters und Dramatikers, Nachdichters und Filmemachers Thomas Brasch scheint dazu zu verführen, es biographisch zu deuten. Der Titel seines spektakulären Debüts „Vor den Vätern sterben die Söhne“ (1977) veranlasste durchaus nicht nur westdeutsche Interviewer, in der betont artifiziellen Prosa eine kritische Abrechnung des 1968 nach einer Flugblatt-Aktion gegen den Einmarsch in Prag verhafteten Autors mit dem Funktionärsvater Horst Brasch zu suchen. So vehement sich Brasch lebenslang gegen politische Vereinnahmungen von jeder Seite wehrte, DDR-Herkunft und das literaturgeschichtlich tradierte Vater-Sohn-Label wurden zu dominierenden Größen seiner Kanonisierung. Das berechtigte Interesse an der konflikthaltigen Geschichte einer Familie als Zeitgeschichte, wie es zuletzt im Dokumentarfilm „Familie Brasch. Eine deutsche Geschichte“ (2018) von Annekatrin Hendel zum Ausdruck kam, verstellt eher den Blick auf die Komplexität der poetisch-filmischen Produktion Thomas Braschs. Über den Erkenntniswert des von der Filmemacherin inszenierten Familiengemäldes lässt sich streiten. Ästhetisch wird jedenfalls nicht begründet, warum sie gerade ihn ins Zentrum ihrer Bild-Konstruktion der „Buddenbrooks des Ostens“ setzt. Zum zwanzigsten Todestag im November 2021 ist der Kinostart eines Spielfilms über Thomas Brasch von Andreas Kleinert mit dem Titel „Lieber Thomas“ angekündigt. Auch Kleinert sieht, wie es in der Filmbeschreibung heißt, das „Leben von Thomas Brasch […] eng mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts verknüpft“.
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