Verdinglichung als Schlüsselbegriff Kritischer Theorie
17 Seiten | Autor: Christoph Henning
Der Begriff „Verdinglichung“ war einer der wichtigsten Begriffe in der Sozialtheorie des westlichen Marxismus. Gegenüber seinem Zwillingsbegriff „Entfremdung“, der eher eine Befindlichkeit bezeichnen und erklären möchte, wollte er einen durch die kapitalistische Produktionsweise tiefgreifend veränderten Weltzustand erfassen. Er bezeichnet näherhin soziale Pathologien, die primär aus einer systematischen Mißhandlung von Menschen und dem Mißverständnis von sozialen Beziehungen als Sachen bestünden, zugleich würden mißlicherweise Dinge (wie Aktiengesellschaften oder Währungen) wie Personen behandelt. Aus marxistischer Perspektive fügt dies den „objektiven“ Kalamitäten, die der Kapitalismus mit der Ausbeutung, der Ungleichheit und den zyklischen Krisen beschert, noch das subjektive Leid hinzu, daß die Menschen sich selbst, einander und ihre Gesellschaft nicht mehr recht verstehen. Sie fühlen sich in ihrer Gesellschaft also nicht nur „fremd“ (und damit unwohl), sie lehnen sich außerdem trotz ihres Ungemachs nicht in der Art und Weise auf, wie es zunächst zu vermuten und vielleicht zu wünschen steht. Verdinglichungskritik war somit keine rein kontemplative Angelegenheit, sondern zugleich in praktisch-politische Auseinandersetzungen aufklärend eingebunden – daher auch der Name Praxisphilosophie. Kritik und Praxis sind hier eng verklammert, und das gilt es neu zu entdecken.
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