Krieg ohne Heimatfront?
161 Seiten
„Der Krieg findet nicht statt“ – Baudrillards Diktum zum Ersten Irakkrieg im Jahr 1991 scheint eine durchaus zutreffende Charakterisierung westlicher Kriege nach dem Kalten Krieg zu sein. Militärische Konfrontationen, so scheint es, haben sich in den zwei Jahrzehnten nach Ende des Kalten Krieges zunehmend von der Oder-Neiße-Grenze an den Hindukusch verlagert. Doch es ist nicht nur die geographische Distanz, durch die der Krieg in den westlichen Gesellschaften immer mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein rückt. Vielmehr tragen zunehmend diffuse Feindbilder, die Transformation der medialen Kriegsbilder vom blutigen Heldenepos hin zu einer sterilen Technologiedemonstration, oder auch die verschwindend geringe Zahl von „eigenen“ Gefallenen zur Wahrnehmung bei, dass heutige Kriege vor allem die „Anderen“, bisweilen „Andersartigen“ betreffen. So beteiligte sich Deutschland zwischen 2003 und 2014 an einem Krieg, der mehr als doppelt so lange dauerte wie der Zweite Weltkrieg – und trotzdem schien die Gesellschaft diesen Krieg erst dann als solchen wahrzunehmen, als mehr als 100 Zivilisten infolge des Befehls eines deutschen Offiziers bei einem Luftangriff starben. Dass westliche Staaten seit dem Ende des
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